Sonntag, 29. September 2013

Jetzt – vom Alltag in den Moment und zurück #5

Es ist ein gutes Gefühl, mal abzuschalten, die Pflichten und sonstigen Belastungen auszublenden und sich – für eine gewisse Zeit – nur mit etwas Angenehmen zu beschäftigen. Dafür gehen viele von uns in den Urlaub oder sie suchen sich ein Hobby. Es gibt viele Möglichkeiten aufzutanken, wenn die eigene Batterie langsam nachlässt.

In unserer Karate-Schule haben wir ein Symbol dafür, welches uns aktiv unterstützt, uns von Einigem für kurze Zeit zu distanzieren: Die Brücke!
Um in den Trainingsraum zu kommen, geht man bei uns über eine geschwungene Holzbrücke, im japanischen Stil. Unsere jüngeren Schüler wissen, dass nicht über die Brücke gerannt werden darf – man geht. Nach der Verbeugung auf der Plattform nach dem Soji (japanische Schiebetür), verlässt jeder Karateka die Außenwelt: Ab jetzt gibt es nur Karate.
Diesen Moment – fast schon zeremoniell – genießen wir, weil es eine Methode ist, sich auf das Jetzt zu konzentrieren. Dieses "Jetzt" dauert eine ganze Trainingseinheit und danach eventuell noch die anschließenden Gespräche.

Später wird das Dojo verlassen. Wir gehen wieder über die Brücke, zurück zum Alltag.

Mittwoch, 25. September 2013

Es gibt nichts höheres als zu dienen*

Samurai bedeutet "Diener". Ein Samurai hat seinen Shogun gedient, treu und mit allen Konsequenzen, bis zum bitteren Ende! Neben seiner Kampftechniken, war für ihn die mentale Stärke Pflicht, welche er sich durch den Zen-Buddhismus angeeignet hat.

Die moderne japanische Gesellschaft ist sehr stark durch Shintoismus und Buddhismus geprägt, mit all den Werten, welche diese zwei Religionen mit sich bringen. Aber sie trägt auch die Einstellung der Samurai. Letzteres ist eine sehr wichtige Komponente!

Mein italienischer Sensei sagte mal zu mir: "Wir haben Rechte: Auf Arbeit, Gehalt, Urlaub, Krankheitsversorgung, Zivilrechte, Menschenrechte, usw. Die Japaner dagegen, haben Pflichten (wie die Samurai): Dem Arbeitgeber gegenüber, der Familie, der Gesellschaft, usw., dadurch geht es ihnen besser als uns."

Ich habe, nach diesem Gespräch mit meinem Sensei, angefangen nach dieser Einstellung zu leben. Diese Erfahrung kann ich nur empfehlen: Es geht mir besser! Ich bin gelassenen und toleranter (nicht immer, aber immer öfter!) geworden. Es lohnt sich, es für eine kurze Zeit auszuprobieren, es könnte eine Bereicherung werden, zu denken: "Es ist gut, dass ich arbeiten darf, damit leiste ich einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft."  

*Zitat – Sokrates (der Pfad des friedvollen Kriegers)

Sonntag, 22. September 2013

Jetzt – die Wichtigkeit des Augenblicks #4

Spielburg, Hohenstaufen –
Eine schöne Ecke in Deutschland
Vor langer Zeit, besuchte mich ein Kunde, der gerade aus seinem Urlaub aus Brasilien zurückkehrte. Der Herr, ein erfolgreicher Unternehmer, der sich in einer sehr stabilen finanziellen Situation befand (er hatte mir auch mal erzählt, dass er mehrere Immobilien besaß) war eine sehr angenehme Person im fortgeschrittenen Alter. Beim Espresso trinken (was sonst!) erzählte er mir sehr ausgiebig mit vielen Details davon, wie Glücklich die Brasilianer sind und wie sie Zufriedenheit in jedem Augenblick erleben können. Dazu ergänzte er: "Sie haben aber – ganz im Gegensatz zu uns – gar nichts! Und trotzdem sind sie viel fröhlicher als wir!" Diese Erfahrung hatte meinen Kunde so beeindruckt, dass er ernsthaft überlegt hatte, seine Rentenzeit in Brasilien zu verbringen!

Eventuell haben schon einige unter uns Ähnliches gefühlt. Auswandern, oder Großes verändern bringt keine Lösung solange wir unsere Einstellung nicht ändern. Die Art und Weise, wie wir die Welt sehen – und den Augenblick erleben –, entscheiden über unser Glück. Es sind die kleinen "Rädchen", die wir jeder Zeit bei uns selbst drehen können, die uns verändern. Wir brauchen nur unsere falsch eingestellten Rädchen zu entdecken und den Willen zu haben, sie auch zu drehen ...

Donnerstag, 19. September 2013

Anerkennung und Verantwortung

Wir streben alle, im großen und kleinen, nach Anerkennung. Das hat schon seine Berechtigung und es ist auch eine mögliche Motivation, um Ziele zu erreichen.

Was ist aber mit der Verantwortung?

Wenn wir etwas Gutes tun, sodass es so lohnenswert ist, in irgendeiner Form einen Lob zu dokumentieren, dann haben wir eine bestimmte Position erreicht, ein Ansehen, das auch noch Verantwortung mit sich bringt.

In den Kampfkünsten, z.B., ein bestimmtes Können wird mit dem Meistergrad, dem Schwarzgurt, anerkannt. Das bedeutet aber auch, dass die Person dadurch ein Vorbild geworden ist. Diese Person wird beobachtet und dient, wenigstens in bestimmten Kreisen, als Orientierung. Das ist eine Last, die nicht leicht zu tragen ist und Anstrengung verursachen sollte!

Ich sage auch zu meinen Gelbgurten Karate-Kinder: "Ihr seid Vorbilder für die Weißgurte. Wenn ihr euch im Dojo falsch benimmt, werden die Weißgurte auch die schlechten Seiten von euch übernehmen. 'Wenn es ein Gelbgurt darf, dann darf ich es auch!' – denken die Anfänger." Damit erwecke ich bewusst die Verantwortung, in den Kinder, für das was sie erreicht haben! Sie verstehen es und fühlen sich gut mit dieser neuen Aufgabe.

Für uns Erwachsene gilt natürlich das selbe ...

Dienstag, 17. September 2013

Die seltene und besondere Fähigkeit zuzuhören

Wenn man sich zu sehr mit sich selbst beschäftigt, besteht die Gefahr, dass man kein offenes Ohr für Andere hat. Oft beschäftigt uns etwas und wir würden es gerne jemanden erzählen. Ein häufiger Nebeneffekt davon ist, dass wir in unserer Euphorie ganz vergessen auch mal den Anderen zuzuhören.

Es kommt in Gesprächen vor, dass man spricht und, sobald eine kleine Pause eingelegt wird, der Gesprächspartner sofort etwas zu erzählen beginnt (wenn er oder sie uns nicht schon vorher ins Wort gefallen ist und uns damit unterbrochen hat), was mit dem Gesprächsthema nichts zu tun hat. Es ist selbstverständlich unhöflich, aber dafür leider ziemlich verbreitet!

Ich habe schon so manche Erfahrungen gemacht, in denen ich einfach nur interessiert zugehört habe, ohne meine Meinung dazu zu äußern. Und es ist schon vorgekommen, dass mein Gresprächspartner zum Schluss gesagt hat, dass er sich mit mir sehr gut unterhalten hat. Aber ich habe doch nichts gesagt! Ganz offensichtlich ist es sehr einfach ein gutes Gefühl zu übermitteln, wenn man zuhören kann.

Viele von uns wollen vielleicht, je nach Situation, nur etwas erzählen, ohne unbedingt eine Antwort zu verlangen! Andererseits gibt es interessante Menschen, bei denen man – auch bei nicht unbedingt tiefsinnigen Gesprächen – durchaus beim zuhören, Neues lernen kann.


Sonntag, 15. September 2013

Jetzt – ich kann leider nicht! #3

Jetzt kann ich gerade nicht: Eine erfolgreich getestete Ausrede! Es kommt vor, dass man keine Lust hat etwas zu unternehmen und erfindet man auf die schnelle eine Geschichte, um etwas zu vermeiden, was man im Moment nicht machen möchte. Die Frage ist: Wen lüge ich an? Ich vermeide etwas spontanes, um in meiner Routine zu bleiben und das Bekannte zu wiederholen. Motivationstrainer nennen das Phenomen "Die Komfortzone". Ich weiß nicht, ob es ein schöner Abend, oder ein schönes Wochenende hätte werden können. Eventuell nicht! Aber eines steht fest: Ich habe mir selbst die Gelegenheit genommen, etwas Neues, oder zumindest anderes als sonst, zu unternehmen.

Im Dojo lernen wir "Jetzt" zu entscheiden. Im Kampf gibt es keine Möglichkeit einen Fehler zu berichtigen: Wenn man nicht abwehrt, wird man getroffen. Das ist eine klare Botschaft! Wenn wir etwas nicht gleich entscheiden (obwohl wir es könnten), besteht die Möglichkeit, dass die Gelegenheit für immer vorbei ist. In diesem Fall haben wir die Lehre aus dem Training nicht in den Alltag umgesetzt.

Mittwoch, 11. September 2013

... immer die gleiche Leier bzw. der Weg ist das Ziel

Aufnahme: Frank Herholt
Träume, Ziele, Vorstellungen. Es sind oft große Dinge, die nicht immer erreichbar sind. Und wie oft fragt man sich: Wie kann ich dahin kommen, wo ich hin will? Die Antwort ist einfach:

Man soll klein angefangen und am besten sofort!

Großes wird durch Details erreicht. Im Karate wird ein hohes Niveau nicht durch die Anzahl der Kata die man kennt gekennzeichnet, oder durch die Pokale die zu Hause liegen nachgewiesen. Die ständige und unermüdliche Arbeit an den Kleinigkeiten, mit der wir nicht zufrieden sind, oder die immer wieder von unserem Trainer verbessert wird – das ist der richtige Weg.
Es ist möglicherweise eine mühsame Arbeit, aber gerade aus diesem Grund gilt an dieser Stelle das Rezept "Liebe zum Detail". Im laufe der Zeit dann, wenn viele Details ausgefeilt und zueinander stimmig sind, ergibt sich ein Gesamtes, welches Ausdruck von Qualität ist.

Oft ergibt sich im Training oder auf Lehrgängen folgende Situation: Ich sehe eine besonders gut ausgeführte Technik und sage zu der Person "Sehr gut, Kompliment!" Die Antwort lautet ab und zu: "Nein, es ist noch nicht gut genug!" An dieser Reaktion erkenne ich grundsätzlich ein guten Karateka, der seinen Weg zum Ziel gemacht hat.

Sonntag, 8. September 2013

Jetzt – oder doch lieber Morgen? #2

Stellt euch vor: Es ist jetzt: Ein schöner Spätsommerabend! Der Sonnenuntergang wird bestimmt fantastische Farben erzeugen und die frisch gewordene Luft ist gerade sehr angenehm. Man kann selbst den ankommenden Herbst förmlich riechen. Aus dem Wohnzimmer denken wir: Ich ziehe die leichte Jacke an und gehe gleich auf die Wiese vor dem Haus, oder fahre kurz zum nächsten Hügel, es dauert nur ein paar Minuten. Ich will diesen besonderen Augenblick des Sonnenuntergangs nicht verpassen!

Auf dem Weg zur Jacke klingelt das Telefon: Gehe ich ran? Falsche Frage! Oder: Ich sollte doch endlich mit der Steuererklärung beginnen, es ist sowieso schon sehr spät. Falscher Gedanke!
Die Liste könnte unendlich lang werden. Es ist aber nicht nötig, noch ein paar Minuten und wir können gleich zu Hause bleiben, ohne eine Ausrede erfinden zu müssen!
Leider können wir uns alle, in diesem Beispiel, wiedererkennen.

Es ist einfach schade: Manche Augenblicke kommen nie wieder!

Freitag, 6. September 2013

Die Lektionen

Auch der alte Meister hatte seine Lehrer und Wegbereiter, ihre Wege hatten sich zu den unterschiedlichsten Zeiten gekreuzt. Das Zusammentreffen war nie zufällig, auch wenn es immer wieder den Anschein des Zufalls hatte – der alte Meister wusste, dass es keine Zufälle gibt – und immer eine Bereicherung. Er traf seine Lehrer nicht immer persönlich, einige waren Buchautoren die ihre Gedanken und Erfahrungen zu Papier brachten, von anderen hatte er Geschichten erzählt bekommen. Gezielt suchte er wenige Lehrer auf, bei denen er sich sicher war, dass sie seinem Wissen neue Impulse gaben. Sehr dankbar ist der alte Meister seinen Schülern gegenüber, die ihn mit ihren Fragen immer wieder zum Nachdenken bringen. Von Kindern, die ihre Welt unvoreingenommen und rein sehen, lernt er stetig dazu. Der alte Meister weiß, dass sein Wissen eingeschränkt ist und dadurch dass er es sich täglich vor Augen führt, hat er entschieden ein Leben lang zu lernen. Der offene Geist hat immer Platz für neue Impulse. Der Gedanke des Zen-Meisters Shunryû Suzuki hat sich der suchende Kämpfer zur Lebenseinstellung gemacht: Zen-Geist Anfänger-Geist.

Dienstag, 3. September 2013

Spiegelung

Als ich in jungen Jahren das Kunstgymnasium besuchte, lernte ich, um Fehler in einer Zeichnung festzustellen, sie in einem Spiegel zu betrachten. Durch das Spiegeln fallen sofort die Unstimmigkeiten auf.
Ähnlich ist es, wenn wir uns digital dargestellte Zahlen oder Buchstaben im Spiegel anschauen:
Aus einer "2" wird plötzlich eine "5"; aus einer "3" wird ein "E"; auf den Kopf gedreht wird aus "38317" sogar "LIEBE".
Sinngemäß, wenn wir unsere Einstellung genau so spiegeln, also aus der Sicht unseres Gegenüber betrachten, können wir genauso Schwachstellen viel einfacher erkennen. Danach brauchen wir nur noch einen Radiergummi, um die Bleistiftlinien zu korrigieren und plötzlich, fühlen wir uns wohler, oder kommen besser mit unseren Mitmenschen zurecht.  

"Nicht der äußere Mensch, sondern der innere hat Spiegel nötig. Man kann sich nicht anders sehen als im Auge eines fremden Sehers."
 Jean Paul (1763 - 1825), deutscher Dichter

Sonntag, 1. September 2013

Jetzt – der richtige Moment #1



Kalligraphie "Jetzt" von Bernd Weinreich
Wir wissen aus zahlreicher Literatur und verschiedenen Philosophien (Kampfkünstlern ist besonders der Zen-Buddhismus vertraut), dass der wichtigste Augenblick im Leben der Jetzige ist. Er entscheidet über Glück oder Unglück bei jedem von uns. Doch jeder von uns hat immer irgendeinen mehr oder weniger plausiblen oder gut nachvollziehbaren Grund, um sich schöne Momente im Leben selbst weg zu nehmen. Ich ertappe mich selbst oft dabei! Die Zeit vergeht und irgendwann stellen wir fest, dass weder das abbezahlte Haus, noch das gut gefüllte Sparbuch oder sonstige vergleichbare Dinge, die wir besitzen, die verlorene Zeit ersetzen können.

Gibt es eine mögliche Lösung? Sicherlich keine Pauschalisierte die für jeden ein Erfolgsrezept anbieten kann. Aber das Wissen und das sich eingestehen, dass wir viel zu oft nicht "leben", sondern nur existieren, ist schon mal ein guter Anfang. Jetzt brauchen wir nur noch zu handeln. Und das könnte mit der Frage beginnen: "Diese sehr wichtige Sache, die ich gerade erledige, ist sie wirklich so wichtig?" Vielleicht lieber mal zuerst die Perspektive wechseln und dann antworten, ohne sich dabei selbst anzulügen! Es ist ein Spiel, welches sogar Spaß machen kann. Dabei kann man sich besser kennenlernen und, vor allem, beginnen intensiver zu leben!

So ein komplexes Thema verdient mehr als ein paar Zeilen. Weiteres dazu die nächsten Sonntage.